Morbus Parkinson ähnelt einem sich langsam zusammenbrauenden Sturm: Zunächst ziehen dunkle Wolken am klaren Himmel auf, der Wind frisht auf, und die ersten Regentropfen fallen—Verboten des bevorstehenden Unwetters. Dann plötzlich: ein Blitz, ein Donnerschlag—ein Aufruf zum Handeln und zur Suche nach Schutz.
Ähnlich erleben Menschen oft Symptome wie Verstopfung, Geruchsveränderungen, Müdigkeit und andere prämotorische Anzeichen über Jahre hinweg, bevor eine offizielle Parkinson-Diagnose gestellt wird. Während dieser Zeit beginnen Gehirn und Nervensystem sich zu verändern, was letztlich zu den klassischen motorischen Symptomen des Parkinsonismus führt. Leider ist der Schaden zu diesem Zeitpunkt irreversibel, und Standardbehandlungen können nur die Symptome lindern—sie stellen die verlorene Funktion nicht wieder her.
Aber was wäre, wenn es eine andere Möglichkeit gäbe? Was, wenn wir die Prämotorische Phase behandeln und die Entwicklung der Parkinson-Krankheit verhindern könnten?

REM-Schlaf-Verhaltensstörung: Ein wichtiges Frühwarnzeichen für Parkinson
Etwa ein Viertel der Menschen mit Parkinson im Frühstadium wird auch mit der REM-Schlaf-Verhaltensstörung (RBD) diagnostiziert. Ebenso haben Personen mit dieser Störung ein signifikant höheres Risiko, später im Leben an Parkinson zu erkranken.
Die REM-Schlaf-Verhaltensstörung ist eine Schlafstörung, bei der Betrofene ihre Träume physisch ausleben—sie sprechen, schreien, treten oder schlagen—und sich selbst oder ihre Bettpartner verletzen können. Üblicherweise wird sie mit Clonazepam oder Melatonin behandelt, die die Symptome lindern, aber die zugrunde liegende Neurodegeneration nicht verhindern oder verlangsamen.
Was ist N-Acetyl-DL-Lecuin (ADLL)? Eine neuroprotektive Verbindung
Leucin ist eine essentielle Aminosäure, die wir über unsere Ernährung aufnehmen un die sowohl für die Muskelgesundheit als auch für die Energieproduktion wichtig ist. Wie fast alle Aminosäuren existiert Leucin in zwei Formen: L-Leucin und D-Leucin. Diese sind wie Spiegelbilder voneinander, ähnlich wie unsere linke und rechte Hand unterschiedlich, aber komplementär sind. Obwohl beide Formen in unserem Körper vorkommen, tun sie dies in unterschiedlichen Mengen und haben unterschiedliche Funktionen.
L-Leucin ist die aktive Form, auf die unser Körper angewiesen ist. Eine chemische Modifikation, bekannt als “N-Acetylierung”, verwandelt Leucin in das Medikament N-Acetyl-L-Leucin (NALL). Es gibt auch N-Acetyl-DL-Leucin (ADLL), eine ausgewogene Mischung aus beiden Formen. Diese Mischung wird seit mehreren Jahrzehnten in Frankreich zur Behandlung von Schwindel eingesetzt, vermutlich durch die Wiederherstellung der neuronalen Kommunikation. Spannenderweise zeigten Studien zwischen 2020 und 2021, dass N-Acetyl-DL-Leucin neuroprotektive Vorteile bietet und das Fortschreiten neurodegenerativer Erkrankungen wie Niemann-Pick Typ C und GM2-Gangliosidose verlangsamt. Diese vielversprechenden Ergebnisse veranlassten Forscher, das Potenzial von ADLL bei der Behandlung der Parkinson-Krankheit zu untersuchen.

N-Acetyl-DL-Leucin (ADLL) bei REM-Schlaf-Verhaltensstörung: Könnte es Parkinson verzögern?
Im Jahr 2021 lud Professor Dr. Wolfgang H. Oertel von der Philipps-Universität Marburg einen Mann und eine Frau—beide mit REM-Schlaf-Verhaltensstörung und teilweisem Geruchsverlust, aber ohne Anzeichen von Parkinson oder anderen neurologischen Erkrankungen—zur Teilnahme an einer klinischen Studie mit N-Acetyl-DL-Leucin (ADLL) ein. Sie nahmen täglich 5 Gramm ADLL ein und führten detaillierte Symptomtagebücher.
Die REM-Schlaf-Verhaltensstörung-Symptom-Schweregrad-Skala (REM Sleep Behavior Disorder Symptom Severity Scale, RBD-SS), ein Fragebogen mit 8 Punkten, misst die Häufigkeit und Intensität von Traumverhaltenweisen, einschließlich Lautäußerungen, Bewegungen und Verletzungen. Nack dreiwöchiger Behandlung zeigten beide Teilnehmer bemerkenswerte Verbesserungen—sie erlebten minimale Symptome der REM-Schlaf-Verhaltensstörung und keine aggressiven Träume mehr. Diese positiven Effekte hielten über 18 bis 22 Monate kontinuierlicher Behandlung an.

N-Acetyl-DL-Leucin (ADLL) könnte das Gehirn vor Parkinson schützen
Forscher führten auch fortgeschrittene Gerhirnscans bei beiden Teilnehmern durch, um neurologische Veränderungen zu überwachen. Der DAT-SPECT-Scan misst die Dopamintransporter (DAT)-Spiegel in dopaminproduzierenden Neuronen. Ein Rückgang des DAT-“Bindungsverhältnisses”—ein Maß dafür, wie viele gesunde Dopaminneuronen noch funktionieren—weist auf den Verlust dieser Neuronen him, ein Kennzeichen des Fortschreitens von Parkinson.
Die weibliche Teilnehmerin hatte zwischen 2013 und 2019 Scans durchgeführt, die eine fortschreitende Neurodegeneration zeigten. Nach fast zwei Jahren ADLL-Behandlung verbesserte sich ihr DAT-Bindungsverhältnis auf nahezu normale Werte, was darauf hindeutet, dass ADLL dopaminproduzierende Neuronen schützen könnte. Ein ähnlicher Effekt wurde beim männlichen Teilnehmer beobachtet.

Der FDG-PET-Scan hilft, das Parkinson-bezogene Muster (PDRP) zu identifizieren, das spezifische Glukosemetabolismus-Anomalien im Gehirn zeigt, die mit Parkinson und ihre früheren Stadien verbunden sind. Im Laufe der Zeit zeigen Meschen mit REM-Schlaf-Verhaltensstörung zunehmend gestörten Gehirnstoffwechsel/-aktivität—reflektiert durch steigende PDRP-Werte—bevor sie in Parkinson übergehen.
Nach einem Jahr ADLL-Behandlung zeigten beide Teilnehmer einen Rückgang des PDRP-Wertes, was auf eine mögliche Verlangsamung des Krankheitsverlaufs hinweist. Bemerkenswert ist, dass beide während der Behandlung normale motorische und kognitive Funktionen beibehielten. FDG-PET-Scans von 12 unbehandelten Patienten mit REM-Schalf-Verhaltensstörung über 8 Jahre zeigten, das 4 Parkinson und 1 eine andere neurodegenerative Erkrankung entwickelten.
N-Acetyl-DL-Leucin (ADLL) vs. N-Acetyl-L-Leucin (NALL): Welches ist besser?
ADLL (Tanganil™) ist seit etwa 1960 im Einsatz, und seine etablierte Zulassung und Verfügbarkeit haben die Verwendung von ADLL in klinischen Studie und für Off-Label-Behandlungen erleichtert. Spannenderweise deuten Tierstudien darauf hin, dass N-Acetyl-L-Leucin (NALL) ein vielversprechendes neuroprotektives Molekül ist. Im vergangenen Jahr veröffentlichte Dr. Tatiana Bremova-Ertl von Inselspital, Univetsitätsspital Bern in der Schweiz, als Erste Ergebnisse einer Phase-3-Studie mit NALL. Dieser wichtige Studie zeigte, dass NALL signifikante Verbesserungen der neurologischen Symptome, der Kognition und der allgemeinen Lebensqualität bei Menschen mit Niemann-Pick Typ C bewirkte. Es war die erste placebokontrollierte Studie zu NALL, die sowohl seine Wirksamkeit als auch Sicherheit über 12 Woche bestätigte.
In seiner Studie, ebenfalls 2024 veröffentlicht, weist Professor Dr. Wolfgang H. Oertel auf eine Einschränkung hin: Er verwendete N-Acetyl-DL-Leucin anstelle von reinem N-Acetyl-L-Leucin, das zu diesem Zeitpunkt nicht verfügbar war. Aufgrund der Vorschriften für Off-Label-Behandlungen mit Tanganil™ konnten nur zwei Personen ohne Placebokontrolle an dieser Studie teilnehmen. Die Durchführung einer größeren klinischen Studie mit einer Placebogruppe wird wirklich helfen, die Ergebnisse zu festigen. Dieser Ansatz reduziert zufällige Variationen und bestätigt den Effekt des Medikaments mit größerer Sicherheit. Dennoch zeigen die Ergebnisse von Prof. Oertel das vielversprechence Potenzial von Acetyl-Leucin zur Verlangsamung des Fortschreitens der Parkinson-Krankheit.
N-Acetyl-DL-Leuin (ADLL) & Parkinson: Fazit
ADLL hat starke, anhaltende Wirkungen auf die REM-Schlaf-Verhaltensstörung gezeigt – ohne Nebenwirkungen – und könnte sogar das Gehirn vor Parkinson schützen. Obwohl diese ersten Ergebnisse ermutigend sind, sind größere klinische Studien erforderlich, um sein Potenzial als krankheitsmodifizierende Therapie zu validieren.
Wenn Sie oder jemand in Ihrem Umfeld an einer REM-Schlaf-Verhaltensstörung leidet, konsultieren Sie einen Neurologen über die neuesten Forschungsergebnisse. Während Behandlungen wie ADLL noch erforscht werden, können frühzeitige Erkennung und Überwachung der Symptome entscheidend sein.
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