Gedanken einer von Parkinson Betroffenen, I. Carola G.
Intro
Was macht jemand, der eine für andere unsichtbare Krankheit hat. Der gut kompensiert und wenig Symptome zeigt. Andere sind verwundert. Von Ungläubigkeit bis Mitleid kommt alles vor. Leidet die Person dann nicht? Niemand denkt daran, dass das Leben von Tabletten und unspezifischen Symptomen geprägt ist.
Als ich die Diagnose Parkinson bekam, dachte ich an relativ baldige Einschränkungen. Im Internet bekam ich als erstes oft Informationen über Pflegebedarf. Lebensqualität trotz Parkinson stand im Internet nicht an erster Stelle.
Fakten
Parkinson ist nicht gleich Pflege, alt und invalide und arbeitsunfähig. Es ist nicht die „Alte Männer Krankheit“. Ich war 53 Jahre alt als die Gangstörung begann. Andere bekommen die Erkrankung noch früher. Wobei unklar ist ob eine schon Jahre vorher aufgetretene unerklärliche ungewöhnliche Erschöpfbarkeit und Müdigkeit schon Ausdruck der Erkrankung waren.
Es gibt nur für die Diagnose einen Grad der Behinderung von 30 (Schwerbehinderung). In den ersten Jahren und auch später kann das Leben auch noch in normaleren Bahnen ablaufen und es muss sich nicht alles um die Krankheit drehen.
Parkinson Honeymoon
Der Begriff Honeymoon gefällt mir. Ich denke dabei an frisch verliebt sein, an ein positives Gefühl wie in den Flitterwochen. Ich habe kaum etwas zu Parkinson und Honeymoon, nur nach dem Honeymoon gefunden. Ist ein symptomfreier „Parki“ ein Exot? Laut des Neurologen in der Klinik ist doch das Ziel die Symptomfreiheit bzw. -reduzierung durch die Medikamente, was zu Beginn der Behandlung auch bei manchen Betroffenen funktioniert, daher „Honeymoonphase“.
Ich genieße die Zeit der Symptomfreiheit, nutze sie. Laufe den Halbmarathon, wandere auf die Zugspitze und pilgere 2/3 des spanischen Jakobsweges. Auch verändere ich mich noch beruflich. Alles trotz der Coronapandemie. Ich starte noch mal durch.
„Mr. Parki“ geht mit
Täglich geht „Mr. Parki“, wie ich ihn liebevoll nenne, nach dem Entdecker der Erkrankung, einem englischen Hausarzt im 19ten Jahrhundert, mit. Er begleitet mich durch den Tag. Ich kann ihn nur selten zuhause lassen.
Die Zukunft ist ungewiss. Als erstes dachte ich daran, dass ich zum Glück eine Pflegezusatzversicherung abgeschlossen habe.
„Mr. Parki“ wird vergessen
Manchmal habe ich auch vergessen das ich Parkinson habe. Die Medikamente erinnern mich immer wieder daran. Wenn ich sie nicht nehme merke ich wieder eine motorische Verschlechterung. Und die Symptomatik kehrt zurück.
Der Beginn
Als ich wusste, dass etwas nicht in Ordnung war, war mir klar es ist etwas Neurologisches, weil ich beim Gehen wie ausgebremst war, ich konnte schnelles gehen nicht steuern. Nachdem sich meine Eltern Sorgen machten und mich eine Nachbarin darauf ansprach, suchte ich mir einen Neurologen. Meine linke Seite wurde immer rigider und ich entwickelte eine Gangstörung. Nach
4 Wochen Klinik musste ich mich auf die Diagnose einstellen mit viel L-Dopa. Ich funktionierte wieder normal, nachdem ich fast ein halbes Jahr durch die Gegend „gehumpelt“ bin mit immer mehr Spannung und Anstrengung und Verlust des Armschwungs.
Diagnoseschock
Die Unklarheit bei der Diagnostik mit der „ungewöhnlichen“ Gangstörung, die immer schlimmer wurde, brachte mir den ersten stationären Aufenthalt in meinem Leben. Vor und nach der Diagnose habe ich viele Tränen vergossen. Abends alleine auf den langen leeren Fluren der Klinik konnte ich ungestört weinen und weinen.
Auch bei dem Psychologen in der Klinik habe ich nur geweint. Ich wollte anfangs die Diagnose nicht wahrhaben und das nicht funktionieren des L-Dopatests kam mir recht. Weil ich dachte ich habe doch kein Parkinson. Andererseits dachte ich, der Kelch kann nicht immer an dir vorüber gehen. Mir ging es immer gut. Ich war froh, dass es ein Medikament gab, das mich normal wieder gehen ließ.
Medikamentenabhängigkeit
Von einem auf dem anderen Tag von Medikamenten abhängig zu sein, nur so zu funktionieren mit, zu merken, wenn sie nicht da sind, das hätte ich mir in meinem Alter nicht träumen lassen. Vorher nahm ich keine regelmäßigen Medikamente für immer ein. Aber der Leidensdruck ließ die Compliance hoch sein und hob dadurch auch die Lebensqualität.
Reaktion der anderen
Zuerst bekam ich Ratschläge, die ich nicht brauchte oder schon wusste, ungefragt. Mitleid, überhöhte Rücksichtnahme, aber auch Desinteresse („man sieht es mir nicht an“) waren zu Beginn da. Wenn ich später mich mit der Diagnose outete, gab es oft ungläubige Blicke, aber auch Interesse und Desinteresse. In der Zeit des „Humpelns“ habe ich auch Strategien
entwickelt das es nicht offensichtlich ist bzw. gelernt es zu verstecken soweit es geht. Gehäuftes Nachfragen nach meinem Befinden, Menschen die sich melden wollten aber es nicht taten usw.
Ich möchte nicht im Vordergrund stehen, wünsche mir aber, dass Menschen die mir nahe stehen davon wissen und ich mich outen darf wo es für mich wichtig ist ohne mitleiderhaschend zu wirken. Mr. P. ist ein Teil von mir für immer.
Patienten-Rolle
Erstaunlich wie schnell ich in der Klinik in die Patientenrolle hineingerutscht bin. Die Klinikregression und der Patientenstatus glaube ich ist wichtig. Ohne dem lässt es sich nicht gut aushalten. Ich hatte Glück mich gut aufgehoben und betreut zu fühlen auf der kleinen neurologischen Station noch vor der Pandemie.
Parkinson-Komplex-Behandlung
Ich wurde in die Parkinson-Komplex-Behandlung eingegliedert mit Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie und Bewegung.
Da die Bewegung zu einfach und die Logopädie noch nicht notwendig war, durfte ich beim Feldenkrais auf einer anderen Station und beim Thai Chi mitmachen. Auch genoss ich die Fangopackung und die Medijet-Massagen.
L-Dopa
Ich konnte beobachten wie schnell die Symptome bei der Steigerung der Dosis bis auf 500 mg weniger wurden und verschwanden. Ich war wieder ich selbst und im Honeymoon.
Umstellung auf einen Agonisten
Alles sträubte sich in mir auf einen Agonisten umzustellen. Zu gut funktionierte das L-Dopa, das wie die Rettung, ein altes neues Lebensgefühl bei mir bewirkte. Aufgrund dessen das L-Dopa-Dosierungen ab 400 mg täglich zu Überbewegungen und Wirkschwankungen führen kann, habe ich mich auf Anraten meines Neurologen zur Umstellung entschieden. Ich habe lange für die
Entscheidung gebraucht und lange für die ambulante Reduzierung und Aufdosierung. Ich habe geflucht und geheult, fühlte mich teilweise stimmungsmäßig am Ende, hatte unangenehme Muskelkrämpfe im Rücken. Aber es hat sich gelohnt. Ich reduzierte L-Dopa auf 100mg täglich bis zu Beginn verstärkter Tagesmüdigkeitsattacken.
Nebenwirkungen
Irgendwann wirkte die Dosis nicht mehr und es kam erneut zu der Gangstörung. Eine Erhöhung des l-Dopas auf 150 mg täglich half, aber es kam durch die längere Einnahme von Ropinirol zu vermehrten Einschlafattacken tagsüber, so das ich die Dosis um 4 mg reduzierte und zusätzlich bis zu 250 mg L-Dopa täglich einnahm. Dann kamen die erhöhten Leberwertschwankungen.
Unklar kommt es von den Medikamenten?
Was gehört zu Parkinson?
Parkinson ist ein Syndrom mit unterschiedlichen Symptomen und Ursachen, die größtenteils noch unklar sind. Ihnen gemeinsam ist die Bewegungsstörung, die sich entweder in Rigor (Steifheit der Muskeln), Tremor und/oder verlangsamten Bewegungen zeigt. Parkinson ist individuell mit vielen unspezifischen Symptomen. Habe die Erfahrung gemacht, das mir nicht geglaubt wird. Z.B. soll schwitzen kein Symptom sein, obwohl es bei einem Betroffenen zu den Frühsymptomen gehörte. Auch starke Erschöpfung (Fatigue) dürfte nur im späteren fortgeschrittenen Verlauf ein Symptom von Parkinson sein, obwohl es auf seriöse Seiten für
Betroffene als Symptom auftritt in jeder Krankheitsphase.
Unleserliche Schrift
Meine Schrift konnte ich immer weniger lesen. Schreibübungen in der Ergotherapie halfen und helfen sie wieder lesbarer zu machen.
Wenig Einfühlung
Eine Kollegin sprach von Persönlichkeitsveränderung bei Parkinson ohne sich bewusst zu sein, dass ich Parkinson habe, obwohl sie es wusste. Eine Medizinstudentin, die für die Studie an der Uniklinik arbeitete, redete am Telefon mit mir als hätte ich eine kognitive Störung. Am liebsten hatte ich gesagt ich habe eine motorische Störung und keine Demenz.
Kompensation
Menschen, die sich viel bewegt haben, können neurologische Defizite besser kompensieren. Das gilt auch für Parkinson.
Fasten
Fasten nach Buchinger soll sich positiv auf die Erkrankung auswirken. Merke die Entschlackung tut gut. Mache es in Kombination mit wandern und mit Anleitung und woanders sein. Wandern durch den Harz, schlafen im Kloster im Bayrischen Wald, fasten und wandern im Allgäu mit Bergblick.
Bewegung
Bewegung, insbesondere bestimmte Sportarten wie Tischtennis, Laufen, Tango tanzen, Boxen usw. sollen helfen den Krankheitsverlauf zu verlangsamen. Ich merke laufen tut mir gut.
Singen
Singen ist gut. Im Verlauf zeigte sich eine Schwäche an der linken Wangenseite, die ich durch Logopädie versuche in den Griff zu bekommen. Sprache und Stimme präventiv zu beeinflussen und Spaß dabei haben ist positiv, auch für die Stimmung, insbesondere mit anderen.
Arbeiten
Ich hoffe noch eine ganze Weile berufstätig sein zu können. Wichtig ist es eine Aufgabe zu
haben.
Ende des Honeymoons?
Wann ist der Honeymoon zu Ende? Ich habe viele auch viele Menschen getroffen die auch trotz ihrer Erkrankung das Beste draus machen und optimistisch und lebensfroh sind. Die Gangstörung kehrte zwischenzeitlich zurück, Tagesmüdigkeit und Einschlafattacken und eine starke innere Erschöpfung und damit wieder Einbrüche… Ist aber deswegen der Honeymoon zu Ende?
Verstehen der Anderen
Es fällt mir schwer nicht Betroffenen zu erklären wie sich Parkinson bei mir anfühlt. Die Symptomatik, das Empfinden ist so anders wie ich es sonst kannte. Spannung und Steifigkeit ist nicht gleich. Steifigkeit einer Arthrose lässt sich schwer mit Parkinson vergleichen. Es ist wie Äpfel mit Birnen zu vergleichen. Auch die Erschöpfung und Müdigkeit fühlt sich anders an. Vieles ist unspezifisch und nicht greifbar für mich. Manchmal weiß ich nicht was ist Parkinson und was nicht.
Ärzte
Stelle immer wieder fest, dass es bei Ärzten immer noch nicht Standard ist über das eigene Fachgebiet hinauszuschauen. Auch tun sich viele Ärzte immer noch schwer empathisch und einfühlend zu sein und kommen mit den Gefühlen der Patienten z.B., wenn sie weinen, nicht klar und gehen lieber nicht darauf ein. Aber nicht jedes weinen und hadern ist eine Depression und oft auch angemessen in der Situation. Gerade Neurologen und -innen die mit Erkrankungen zu tun haben, die eher schlechter als besser werden, brauchen dafür ein Fingerspitzengefühl.
Wichtig ist den Patienten ernst zu nehmen. Nur er selbst weiß wie es sich anfühlt Parkinson zu haben. Auch ist es wichtig das Ärzte auch zugeben das sie nicht wissen was es für eine Erkrankung ist oder dass es zu einem anderen Fachgebiet gehört. Nicht wie der Orthopäde der erst auf Nachfrage angab, dass meine Gangstörung nichts Orthopädisches ist. Da war mir die neurologische Genese schon klar gewesen. Was wäre gewesen wenn ich nicht selbst davon überzeugt gewesen wäre…?
Ärzte, die ehrlich sind und ihre Grenzen, ihr Nichtwissen und Fehler eingestehen, steigen in meiner Achtung und in ihrer Kompetenz. Ich habe Glück gehabt keinen langen Diagnoseleidensweg gehabt zu haben. Aber Empathie und zuhören wird nicht besonders bezahlt, wäre aber sehr kostensparend für die Krankenkassen. Es gibt aber auch Ärzte die ihre Patienten ernst nehmen und auf Augenhöhe beraten und sich Zeit nehmen. Es lohnt sich danach zu suchen.
Ziele und Fazit
Ich habe Ziele. Ziele sind wichtig in so einer Situation, auch weil noch so viel gehen kann, die Kunst aber auch die Ziele anzupassen. Ich habe das Glück das noch viel in der Honeymoonphase geht.
Bis jetzt nach 4 Jahren nach auftreten der Gangstörung geht es mir eigentlich weiterhin noch sehr gut trotz Einbrüchen, Ich kann alles machen. Gleichgewicht und Koordination funktionieren mit der Medikation. Der“ Honeymoon“ lässt mich vieles machen und probieren.
Wie es weiter geht? Es gibt noch keine Behandlung die die Krankheit aufhält … Aber wir sind auf dem Weg!
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